EU verliert geistige, moralische und intellektuelle Grundlage

7. Mai 2024von 4,3 Minuten Lesezeit

Welche Lehren hat Ungarn in den 20 Jahren seiner EU-Mitgliedschaft gezogen, fragt László Bogár, Kolumnist von Magyar Hírlap. Ungarn und seit kurzem auch die Slowakei sind die einzigen EU-Mitglieder, die eine unabhängige Politik verfolgen und insbesondere gegen die Kriegshetze aus Brüssel und für Frieden eintreten. Das wird offenbar auch von Mainstream Medien unterstützt, mit fundierten Analysen.

Die Europäische Union verliere ihre geistige, moralische und intellektuelle Grundlage. Zwanzig Jahre im Leben eines Menschen und eines Landes sind lang genug, um innezuhalten und darüber nachzudenken, was die zwei Jahrzehnte, die Ungarn Teil der Europäischen Union ist, wirklich bedeutet haben meint  Bogár.

Bogár erwähnt in seiner Kolumene zuerst eine Episode, die sich kurz vor der Aufnahme von acht Ländern in die Europäische Union im Jahr 2004, im Frühjahr 2003, ereignete. Damals marschierten die Vereinigten Staaten auf der Grundlage primitiver Lügen in den Irak ein und versuchten natürlich, die ganze Welt als einfache Legitimationsquelle zu nutzen. Doch überraschenderweise verurteilten der französische Staatspräsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder die imperiale Intervention der USA aufs Schärfste als ernsthafte Bedrohung für das Gleichgewicht der Kräfte in der Welt. Noch überraschender war, dass die Regierungen der acht Beitrittsländer, einschließlich Ungarns, ein gemeinsames Memorandum veröffentlichten, in dem sie das aggressive Vorgehen der Vereinigten Staaten nachdrücklich unterstützten.

Dies könnte laut Bogár ein wichtiges Element in der Bewertung der letzten 20 Jahre sein, denn es zeigt, dass die Machtstrukturen der Europäischen Union schon damals durch ihr Verhältnis zu den globalen imperialen Interessen der USA bestimmt wurden. Mit anderen Worten, ob sie in der Lage ist, einen autonomen Interpretationsrahmen und eine Reihe von Konzepten im globalen Raum zu formulieren, die es Europa erlauben, seine Identität zu repräsentieren, oder ob sie als eine bloße kollaborative Struktur interpretiert werden kann, eine Art Maschine, die in Europa angesiedelt ist, aber als treibende Kraft des US-Imperiums fungiert.

Um die spektakuläre intellektuelle Abwärtsspirale der letzten zwanzig Jahre besser zu verstehen, in der die europäischen Eliten heute von den Vereinigten Staaten ungehindert nach unten gezogen werden, lohnt es sich, die gesamte Nachkriegszeit unter diesem Blickwinkel kurz Revue passieren zu lassen, genauer gesagt, auf die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahr 1951 zurückzublicken, die erste Form der europäischen Integration, der Ende der fünfziger Jahre die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgte.

Der Erfolg der europäischen Integration ist seit fast einem halben Jahrhundert ein imperiales Interesse der USA. Doch seit den 1990er Jahren – und, wie wir gesehen haben, seit der Jahrtausendwende – hat sich dieses Verhältnis radikal verändert. Die Senkung der globalen Transaktionskosten ist zunehmend unter die Kontrolle einer neuen globalen Machtökonomie in China geraten, und das daraus resultierende, immer spektakulärere deutsch-russisch-chinesische eurasische Kooperationssystem hat begonnen, die Stückkosten der weltweiten Operationen explizit gegen und sogar auf Kosten der imperialen Machtökonomie der USA zu senken.

Europas Rolle als „Schaufenster“ für die imperiale Legitimität der USA wurde irrelevant, ja sogar kontraproduktiv, und mit dem Klima, der Migration, den versteckten Geender-Kriegen und der Provokation des russisch-ukrainischen Krieges, d.h. einem offenen und blutigen Krieg, wurde die Zerstörung der europäischen Identität und die Förderung von Anarchie und Chaos zum wichtigsten imperialen Ziel der USA.

Das mutige Handeln von Chirac und Schröder im Jahr 2003 war natürlich auch ein Hinweis darauf, dass die intellektuelle Stabilität der europäischen Eliten zwar vom amerikanischen Imperium bestimmt wird, dass es aber zumindest prinzipiell eine andere Strategie gibt, um dieser zynischen kollaborierenden Unterwerfung zu begegnen: eine mutige und entschlossene Konfrontation, eine mutige Behauptung der europäischen Identität in allen Fragen, die die tiefste Identität unseres Kontinents bestimmen. Dies würde natürlich Wissen, Mut und Ehre voraussetzen, um nur die wichtigsten Tugenden zu nennen.

Dies sei die wichtigste Lehre aus den 20 Jahren ungarischer EU-Mitgliedschaft, folgert Bogár abschließend:

Mit anderen Worten: Ohne geistige, moralische und intellektuelle Energien gibt es keine Chance, diese Talfahrt zu stoppen. Ungarn ist das einzige Mitgliedsland, das zumindest in der Lage ist, all dies zu benennen. Die Wahlen werden entscheiden, ob es eine Chance gibt, mehr als das zu tun.

Sieht man sich solche Kommentare in führenden ungarischen Medien an, so verwundert wenig, wen der chinesische Staatspräsident diese Woche mit einem Besuch beehrt – nämlich Ungarn und Serbien, nebst einem Gegenbesuch in Paris bei Macron zu dessen Visite in Peking im Vorjahr. Orban und Serbiens Präsident Vucic pflegen übrigens auch häufige gegenseitige Besuche. Ein Umorientierung nach Osten, weg von EU und Westeuropa ist unverkennbar. Andere Staaten könnten bald folgen.


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14 Kommentare

  1. Jurgen 9. Mai 2024 at 16:03Antworten

    Bei der EU bekommt man mittlerweile stark das Göbbels Gefühl (wollt ihr den totalen Krieg)…

  2. […] 07.05.2024    EU verliert geistige, moralische und intellektuelle Grundlage […]

  3. Vortex 8. Mai 2024 at 2:28Antworten

    Zurück zu den Ursprüngen der Menschenrechte globalpeaceeducation.com/our-human-rights, wofür eigentlich keine EU (inkl. windigen Anhang) benötigt wird …

  4. Glass Steagall Act 7. Mai 2024 at 22:40Antworten

    Solange Deutschland ein Vasall der USA bleibt, solange haben die USA Westeuropa unter Kontrolle. Deutschland ist ganz klar das trojanische Pferd für die USA in Europa. GB macht gemeinsame Sache mit den USA und umgekehrt. Wenn sich die Bürger bei uns nicht wehren, wird sich nichts ändern! Wir müssen die US-Kriege unterstützen, auch noch Geld dafür zahlen und neuerdings auch ohne die USA deren Kriege führen. Wir lassen uns Nordstream ohne Protest zerstören, Sanktionen gegen uns selbst richten, wir lassen unsere Industrie von den USA abwerben und noch viele weitere bescheuerte Aktionen für die USA ausführen! Und die Bürger lassen alles gefallen.

    Wenn man dann noch das zahnlose Europäische Parlament betrachtet, welches nur zum Absegnen der abstrusen Vorschläge der Europäischen Kommission existiert, dann kann man die osteuropäischen Länder verstehen. Mit solchen Vorgängen ist der europäische Gedanke mausetot! Europa ohne die USA hätte bessere Karten! Erst recht, wenn es sich wieder Russland zuwendet!

  5. B.Recht 7. Mai 2024 at 22:36Antworten

    Man kann doch nur verlieren was man hat! Ich sehe, daß ich hier bereits geschriebenes wiederhole.

  6. diesem 7. Mai 2024 at 20:37Antworten

    Es gibt die These, dass in der neuen Weltordnung ein Staat namens Intermarum geplant ist, der die Ostsee mit dem Schwarzen Meer verbindet. D.h. in etwa aus Rumänien, Ungarn, Slowakei, Polen. Valery Pyatkin behauptet das z.B. seit Jahren. Die Entfremdung von Ungarn+Slowakei mit der EU würde dazu passen.

    • Hasdrubal 8. Mai 2024 at 2:01Antworten

      Ungarn ordnet sich nicht der EUdSSR unter – dann wird sich das Land nicht einem Intermarum mit polnischer Dominanz unterwerfen.

      Apropos Polen – am Montag war die große Sensation dort, dass ein Richter, der vor einem Krieg gegen Russland warnt, in Weißrussland um politisches Asyl gebeten hat. Gestern berichtete Böses Medium darüber – vielleicht schreibt auch TKP was?

      • Heiko S 8. Mai 2024 at 8:42

        Wofür stehen denn die beiden „S“ in Ihrer Abkürzung EUdSSR?

      • Hasdrubal 8. Mai 2024 at 14:38

        Die EUdSSR ist ökoSozialistisch, also erstes „S“ passt. Ferner wird gerne mit leicht manipulierbaren „Bürgerräten“ experimentiert, Russisch Sowjets, daher passt zweites „S“ ebenso.

        Dass der Ökosozialismus reichen Oligarchen dient, ist ein Paradoxon – ich kenne ein Medium, wo vom „Milliardärssozialismus“ die Rede ist. Was da etwa Habeck abzieht, ist doch Planwirtschaft.

      • Fritz Madersbacher 8. Mai 2024 at 22:19

        @Hasdrubal
        8. Mai 2024 at 14:38
        „… daher passt zweites „S“ ebenso“
        Die „Sowjets“ waren bekanntlich Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte, die unter der proletarisch revolutionären Führung der Bolschewiki eine entscheidende Rolle in der Oktoberrevolution 1917 spielten. In der „realsozialistischen“ Sowjetunion unter der Führung verbürgerlichter Parteimachthaber waren es dann vielleicht Ihre „Bürgerräte“, weshalb die in bourgeoise Richtung geführte „Sowjetunion“ ihren Namen gar nicht mehr verdiente.
        Große kapitalistische Monopole haben eine „Planwirtschaft“, sie können nicht einfach – wie sich das offenbar so manche kleinbürgerliche Kapitalismusverfechter vorstellen – ins Blaue agieren. Aber diese „Planwirtschaft“ der großen Konzerne und Banken hat nichts mit einer sozialistischen „Planwirtschaft“ zu tun, in der klassenbewußte Menschen Planungsziele für die Weiterentwicklung der Wirtschaft zur Deckung der Bedürfnisse der Gesellschaft festlegen. Die „Planwirtschaft“ der Monopole hat bekanntlich völlig andere Zielsetzungen als die Deckung der Bedürfnisse der Menschen, nämlich die Maximierung ihrer Profite.
        Das Durcheinanderwerfen der verschiedenen Begriffe, deren Sinnverdrehung, Sinnentleerung und Diffamierung war stets Ziel der Indoktrination der Menschen, um sie wehrlos und gefügig zu machen. Und diese Indoktrination hat funktioniert und prägt das (bürgerliche) Weltbild vieler, auch gutmeinender Menschen. Aber der reaktionäre Mischmasch, das Verwirren klaren Denkens hat uns selbstverständlich ungeheuer geschadet, das Loskommen von diesen herrschenden Ideen der Herrschenden wird nicht viel einfacher sein als die allmähliche Loslösung von den feudalen Rückständigkeiten und Traditionen durch die „Aufklärung“ (engl. ‚enlightenment‘). Wir selbst müssen diese „Kulturrevolution“ (im wahrsten Sinne des Wortes) bewerkstelligen, nicht herabschauen auf die Anderen im vermeintlichen Besserwissen, obwohl wir uns im Hereinfallen auf die wichtigsten Propaganda-Versatzstücke der herrschenden Klasse (leider) gar nicht so sehr unterscheiden …

  7. Pfeiffer C 7. Mai 2024 at 20:06Antworten

    Der „Erfolg“ (das setze ich unter Anführungszeichen) der europäischen Integration ist seit fast einem halben Jahrhundert ein imperiales Interesse der USA.

    Klarstellung: Ich halte die politterroristische Chronologie der RAF in ihrer heissen Phase für kriminell.

    Gleichwohl halte ich es für wichtig, artikelanlassbezogen aus dem RAF-Bekennerschreiben zum – fehlgeschlagenen – Sprengstoffanschlag auf den Oberbefehlshaber der NATO in Europa, General Alexander Haig am 25. Juni 1979 zu zitieren:

    „Wir haben diese Aktion gemacht, weil Haig in einer besonderen Präzision den »neuen Kurs« oder den »modified style« der amerikanischen Strategie repräsentiert und exekutiert.

    Was sich verändert hat seit der politischen und militärischen Niederlage der Vereinigten Staaten in Vietnam, ist, daß ihre Aggressivität zugenommen hat statt abgenommen, ist, daß die Völker der Welt mit einer neuen amerikanischen Offensive konfrontiert sind, die gleichzeitig einen qualitativen Sprung markiert…

    … Durch die Befreiungssiege in Südostasien und Afrika hat sich die Front näher an das Zentrum, an die Metropolen selbst herangeschoben und den Rückzugs des US-Imperialismus – die sogenannte Verlagerung des strategischen Schwerpunkts nach Westeuropa – taktisch und strategisch unvermeidlich gemacht. Was Haig den modifizierten Stil nennt, verlangt von den inzwischen in das BRD-gesteuerte Europaprojekt integrierten westeuropäischen Staaten nichts weiter als die endgültige Funktionalisierung für die US-Globalstrategie…

    …Die konkreten Schritte der Politik des reinforeement, die Haig in seiner Funktion als NATO-Chef mit Hilfe der BRD durchgesetzt hat, um für diesen »halben Krieg« gerüstet zu sein (was heißt, die europäischen Staaten gleichzeitig und anders als ,73 fest im Griff zu haben), bauen die BRD als aggressivste US-Base auf atomwaffenstarrend, mit einer »nach oben gleitenden, eskalierenden Präsenz amerikanischer Truppen« ausgestattet, das ganze Land eine einzige Kaserne funktional für »ambivalente, verschwommene Situationen an den Flanken oder in Randgebieten der NATO…

    ..Dieser Seiltanz zwischen dem Verkauf des Modell Deutschland und der bundesdeutschen Realität, bei dem Brandt ,73 abstürzte, ist Schmidt (Anmerkung: War der Folgebundeskanzler) ganzes Problem. Die Klemme, in die er durch die Pentagon-Veröffentlichung ,77 geraten ist, in der offen ausgesprochen wurde, was die Strategie der flexible response für die BRD bedeutet – 5 Millionen Tote bei uns, damit das amerikanische Kernland geschützt wird – der Preis, den die SPD zahlt, um an der Macht zu bleiben – ist nur ein Symptom der totalen Abhängigkeit der BRD, gegen die wir kampfen.“ –

    Quelle (nicht mit meinem ideologischen, sondern historischen Blick): rafinfo.de – Die Webressource zur RAF – RAF Erklärung vom 25. Juni 1979

  8. asisi1 7. Mai 2024 at 19:44Antworten

    Diese Grundlagen gab es nie! Also ist die Überschrift totaler Blödsinn.
    Die Werte der EU und deutscher Politiker sind, Lügen, Betrügen und Abkassieren.
    Und das auf Teufel komm raus!
    Welcher Michel immer noch glaubt, das deutsche Politiker sein Wohl wollen, sollte sich mal schnellstens in der Klapse melden!

  9. Gabriele 7. Mai 2024 at 18:51Antworten

    Zur Überschrift … hatte sie überhaupt jemals eine?

  10. Samantha 7. Mai 2024 at 18:09Antworten

    Leider soll ja das Prinzip der Einstimmigkeit der Entscheidungen abgeschafft werden, um zu vermeiden, dass Länder wie Ungarn, die Slowakei, manchmal auch Polen „querschiessen“. Steht z.B. im Parteiprogramm der Grünen zur Europawahl. Damit würde die Demokratie, die noch in einem gewissen Maße innerhalb der europäischen „Werte“union vorhanden ist, noch ein Stück weit verloren gehen.

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